Die europäische Gesundheitsbehörde ECDC meldet eine ungewöhnlich frühe Grippewelle – drei bis vier Wochen früher als in den Vorjahren. Verantwortlich sei eine neue Variante von A(H3N2), die sogenannte Subclade K. Und wie gewohnt kommt der Aufruf, sich „ohne Verzögerung“ impfen zu lassen. Dabei räumt die Behörde selbst ein, dass die Datenlage dünn ist, die Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe gegen die neue Variante unklar bleibt und bislang keine erhöhte Schwere der Erkrankungen beobachtet wurde. Trotzdem wird erneut die Alarmstufe ausgerufen.
Der ECDC-Experte Edoardo Colzani mahnt, „Zeit sei kritisch“. Man solle sofort impfen – obwohl das eigene Risiko-Gutachten ein moderates Risiko für die Allgemeinbevölkerung und ein hohes Risko nur für klassische Risikogruppen beschreibt. Zwischen den Zeilen: Die Impfung könnte wegen der vielen Mutationen des neuen Stamms weniger gut passen. Genau das steht im technischen Anhang des ECDC-Berichts deutlich genug. Dennoch wiederholt die Behörde routiniert die alte Formel, wonach der Impfstoff „trotz möglicher Mismatchs“ wohl ausreichend gegen schwere Verläufe schützen werde. Konkrete Wirksamkeitsdaten? Fehlanzeige.
Auffällig ist vor allem die Erwartung eines „potenziell schweren Winters“, die vor allem auf Modellannahmen und der Sorge vor niedriger Impfquote beruht. Die bisherigen Beobachtungen aus England, Hongkong und Taiwan zeigen zwar frühere Wellen, aber keine auffällige Zunahme schwerer Krankheitsverläufe. Trotzdem wird das Szenario steigender Krankenhausbelastung schon jetzt in die Öffentlichkeit getragen. Ob Vorsicht oder politische Kommunikation – das bleibt offen.
Der Maßnahmenkatalog ist vertraut: Risikogruppen impfen, Pflegeheime sensibilisieren, Masken in Krankenhäusern empfehlen, Antivirale großzügig einsetzen, Hygieneappelle an die Bevölkerung. Zuletzt soll erneut „klare und zielgruppengerechte Kommunikation“ helfen – in der Praxis meist die permanente Wiederholung der Impfempfehlung, während Unsicherheiten in den Hintergrund rücken.
Kurz gesagt: Die Saison beginnt früher, das Virus hat sich stärker verändert als üblich, doch konkrete Hinweise auf eine besonders gefährliche Welle fehlen bislang. Statt nüchterner Einordnung liefert die ECDC vorsorgliche Warnungen und empfiehlt Maßnahmen, die weitgehend präventiv-politischen Charakter haben. Schon wieder wird eine unklare Datenlage zum Anlass genommen, maximale Impfbereitschaft einzufordern – und das möglichst schnell, bevor die Lage überhaupt vollständig bewertet ist.
(Quelle: ECDC – https://www.ecdc.europa.eu/en/news-events/ecdc-recommends-vaccinating-without-delay-due-early-flu-circulation, sowie ECDC-Threat-Assessment vom 20.11.2025)



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