Die neue Untersuchung von liber-net deckt ein beispielloses Geflecht staatlicher und halbstaatlicher Machtstrukturen auf, das in Deutschland unter dem Vorwand der „Bekämpfung von Desinformation“ die Meinungsfreiheit systematisch aushöhlt. Der Bericht „Das Zensurnetzwerk: Regulierung und Repression im heutigen Deutschland“ de-report-de zeigt anhand von über 330 Organisationen, Behörden, NGOs, Thinktanks, Stiftungen und Medienpartnern, wie tief das Land in einen digital-politischen Komplex gerutscht ist, der faktisch jeden Bereich der Online-Kommunikation kontrolliert.
Was als angeblicher Schutz vor Hass und Hetze verkauft wird, ist in Wahrheit ein engmaschiges Kontrollregime, das längst in das Privatleben gewöhnlicher Bürger eingreift. Die Autoren sprechen unverblümt von einem „riesigen, verworrenen Sektor“, der „ungewöhnlich enge Beziehungen zur Regierung unterhält und sich gleichzeitig als unabhängig präsentiert“ – ein Satz, der die ganze Absurdität des Systems zusammenfasst. Noch drastischer: Die Maßnahmen seien so verschärft worden, dass „Wohnungsdurchsuchungen wegen beleidigender Memes“ inzwischen Realität sind – und das ist keine Satire.
Besonders brisant sind die Szenen, die die US-Sendung 60 Minutes Anfang 2025 dokumentiert hat und die im Bericht als Wendepunkt erwähnt werden. Schwer bewaffnete Polizeieinheiten stürmen Wohnungen von Meme-Postern; Staatsanwälte lachen vor laufender Kamera über die Beschlagnahmung privater Geräte. Diese Bilder gingen weltweit viral – und stehen symbolisch für ein Land, das den Boden liberaler Selbstverständlichkeiten längst verlassen hat.
Der Bericht zeigt, wie der Staat ein ganzes Arsenal an Behörden aufgerüstet hat: Das Innenministerium, der Verfassungsschutz, das Bundesamt für Justiz, das Bundeskriminalamt, Landesbehörden, Polizeidienststellen, EU-Strukturen wie der Digital Services Act, dazu NGOs wie HateAid (als „Trusted Flagger“ zertifiziert), Stiftungen, große Medienhäuser und sogar Big-Tech-Konzerne. Alles greift ineinander. Alles dient einem Zweck: maximale Kontrolle über die digitale Debatte.
Dabei zitiert der Bericht mehrere Skandale, die die Realität des neuen Systems besonders schonungslos offenlegen. Der „Schwachkopf“-Fall um den Rentner Stefan Niehoff ist nur einer davon. Nachdem er ein Meme verbreitete, in dem Wirtschaftsminister Habeck karikiert wurde, rückte die Polizei an, beschlagnahmte Geräte und am Ende stand eine Geldstrafe von 825 Euro. Die Ermittlungen wurden noch ausgeweitet, obwohl das Meme nichts anderes war als politische Satire. Der Bericht fasst das so: „Diese Eskalation wurde weithin als unverhältnismäßig angesehen.“
Noch absurder ist der Fall der Schülerin aus Mecklenburg-Vorpommern, die wegen eines Smurf-Memes, das zufällig die Farbe der AfD traf, aus dem Unterricht geholt und von der Polizei verhört wurde. Ein Verwaltungsgericht erklärte das Vorgehen später für rechtswidrig, aber der Schaden war bereits angerichtet. Der Bericht hält fest, dass solche Eingriffe „politisch motiviert“ wirken und einen „Klimaeffekt der Einschüchterung“ erzeugen.
Der Staat begnügt sich nicht mit Polizeiaktionen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt mittlerweile Listen über „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ – eine Kategorie, die so vage ist, dass praktisch jede Regierungskritik hineinpassen kann. Medien wie die Berliner Zeitung mussten sich gegen ihre Einstufung als „pro-russisch“ wehren. Die Journalistin Aya Velázquez wurde offen vom Verfassungsschutz überwacht. In vielen Fällen, so der Bericht, handele es sich schlicht um Meinungen, die nicht mit der offiziellen Linie übereinstimmen.
Die Autoren beschreiben eindrücklich, dass sich Deutschland seit Jahren von seinem eigenen freiheitlichen Selbstverständnis entfernt. Sie verweisen auf Umfragen, nach denen inzwischen 84 Prozent der Deutschen Angst haben, ihre Meinung zu äußern. Ein Wert, der in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellos ist. Der Bericht bringt es auf den Punkt: „Ein großer Teil der Bevölkerung fühlt sich politisch eingeschränkt.“ Das sei keine subjektive Wahrnehmung, sondern Ergebnis eines wachsenden Systems staatlicher Steuerung.
Was besonders deutlich herausgearbeitet wird: Die Regierung nutzt nicht nur gesetzliche Mechanismen wie das NetzDG oder den DSA, sondern verschmilzt politische, militärische, geopolitische und mediale Interessen. Das Innenministerium spricht unverhohlen von „hybriden Bedrohungen“, die angeblich von Bürgern ausgehen, die Kritik äußern oder unliebsame Fakten posten. Daraus entsteht ein Apparat, der vollständig an der Kontrolle von Narrativen orientiert ist und sich selbst ständig weiter legitimiert.
Der Bericht nennt dieses System einen „faustischen Pakt“ zwischen politischen Eliten und aktivistischen Netzwerken. Besonders scharf kritisieren die Autoren die immer stärkere Vermischung zwischen staatlichen Stellen und ideologisch aufgeladenen NGOs wie HateAid, GADMO oder der Amadeu-Antonio-Stiftung. In der visuellen Zensurkarte auf Seite 6 wird deutlich, wie breit diese Strukturen inzwischen aufgestellt sind: Medien, Faktenchecker, Forschungsinstitute, Thinktanks, staatliche Stellen – alles verbunden, alles Teil desselben Netzwerks.
Explosiv wird es bei der geopolitischen Einordnung. Deutschland habe sich, so der Bericht, in eine „unterwürfige“ Haltung gegenüber Washington manövriert. Die Autoren sprechen explizit von einer „selbstzerstörerischen Treue zur von den USA angeführten atlantischen Ordnung“, die wirtschaftlich schadet und innenpolitische Spannungen verschärft. Diese Passage gehört zu den heftigsten im gesamten Dokument: „Diese Politik ist nun von rationaler Selbstreflexion abgelenkt und dient der Eskalation Washingtons gegenüber seinen eurasischen Gegnern. Eine solche Politik muss zwangsläufig mit verstärkter Repression einhergehen.“
Ebenso brisant ist der Abschnitt zum Thema Israel. Der Bericht beschreibt, wie Kritik an der israelischen Regierung oder am Krieg in Gaza unter einer ausufernden Definition von Antisemitismus zensiert wird. Eine Formulierung lautet: „Protest und Dissens werden unter einer aufgeblähten Definition von ‚Antisemitismus‘ zensiert.“ Diese Passage ist politischer Sprengstoff: Sie benennt ein Tabu, das in Deutschland bislang kaum jemand offen beschreibt.
Die Autoren kommen zu der Einschätzung, dass das System nicht mehr reformierbar sei, sondern nur noch durch massiven öffentlichen Widerstand gestoppt werden könne. Sie schließen mit der Warnung, dass sich ein „hybrides Kriegsregime“ herausgebildet habe, das die Grenzen zwischen Staatssicherheit und zivilem Diskurs auflöst. Der Begriff erinnert an vergangene Zeiten – und ist wohl nicht zufällig gewählt.

Wir haben die von liber-net in der Zusammenarbeit mit dem Journalisten Matt Taibbi bei den „Twitter Files” verwendete Methodik angewendet, um den auf die USA fokussierten Zensur-Industriekomplex abzubilden. Zusammen mit deutschen Spezialisten, Forschern und Beratern haben wir dieses System dokumentiert, dessen Umfang unsere Erwartungen bei Weitem übertrifft. Die Dokumentation umfasst:
- eine Karte der führenden Organisationen für Inhaltskontrolle in Deutschland, die von der ursprünglichen Karte des Zensur-Industriekomplex inspiriert wurde (siehe oben oder lade das Bild in voller Auflösung herunter) .
- einen Bericht, der die Ursprünge, den politischen HIntergrund und den Umfang der deutschen Kontrolle von Online-Inhalten untersucht.
- eine Datenbank mit Profilen von mehr als 330 beteiligten Regierungsbehörden, NGOs, akademischen Zentren, Thinktanks, Stiftungen und Netzwerken.
- eine Datenbank mit Fördermitteln, die mehr als 420 Zuschüsse und Fördermittel für Inhaltskontrolle umfasst,
- eine Reihe von Infografiken, die die oben genannten Daten visualisieren.
Dies ist das Ergebnis von mehr als einem halben Jahr Recherche und Kartierung. Weitere Einzelheiten zu unserer Vorgehensweise bei dieser Recherche finden Sie in unserer Methodik.
Quelle: liber-net



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