Humanoide Roboter: Der große Hype – und warum der Durchbruch noch Jahre entfernt ist

Humanoide Roboter: Der große Hype – und warum der Durchbruch noch Jahre entfernt ist

In einem aktuellen Interview auf dem YouTube-Kanal Everlast AI spricht der Robotik-Experte Alexander König von der Technische Universität München Klartext über humanoide Roboter – und bremst damit gezielt die Euphorie, die Politik, Konzerne und Medien derzeit verbreiten. Während überall von „Roboter-Revolution“, „Jobkiller-KI“ und dem angeblich bald autonomen Androiden die Rede ist, zeichnet König ein deutlich nüchterneres Bild.

Der Professor macht gleich zu Beginn klar: Humanoide Roboter sind kein Selbstzweck und schon gar keine Wunderwesen. Die Vorstellung, dass Maschinen in naher Zukunft menschliche Arbeitskraft flächendeckend ersetzen, hält er für eine gefährliche Illusion. Der Grund ist simpel: Die physische Welt ist chaotisch, unvorhersehbar und voller Sonderfälle. Genau daran scheitert Robotik bis heute.

Als konkretes Beispiel nennt König den humanoiden Assistenzroboter Garmi, der an der TU München entwickelt wird. Statt Superkräfte oder Science-Fiction-Autonomie steht hier etwas viel Profaneres im Fokus: Assistenz in der Pflege. Greifen, Reichen, Kommunizieren, einfache Unterstützung für Pflegekräfte. Keine Alleskönner-Maschine, sondern ein Werkzeug – begrenzt, kontrolliert und bewusst langsam eingeführt.

Ein zentrales Problem: Daten. Während Sprachmodelle wie ChatGPT auf Milliarden Textzeilen zurückgreifen können, müssen Roboter reale Bewegungen, echte Kollisionen und physische Interaktion mühsam lernen. Simulationen helfen nur bedingt. Der Sprung von der virtuellen Welt in die Realität bleibt eines der größten ungelösten Probleme der Robotik. Jeder Fehler kann hier nicht nur teuer, sondern gefährlich sein.

König widerspricht auch der verbreiteten These, große Sprachmodelle hätten die Robotik bereits revolutioniert. Ja, LLMs helfen bei Planung, Sprache und Abstraktion. Aber sie lösen nicht das Kernproblem: das sichere, verlässliche Handeln in einer echten Umgebung. Embodied AI – also KI mit Körper – ist für ihn die nächste große Entwicklungsstufe, aber keine Abkürzung.

Besonders brisant ist sein Vergleich zwischen Europa und China. Während in Deutschland exzellente Grundlagenforschung betrieben wird, scheitert die Umsetzung regelmäßig an Bürokratie, Haftungsfragen und fehlender Skalierung. China hingegen investiert massiv in Robotik-Trainingszentren, sammelt Daten ohne große ethische Debatten und baut systematisch industrielle Infrastruktur auf. Der technologische Rückstand Europas droht sich weiter zu vergrößern.

Auch beim Thema Datenschutz zeigt sich der Realismus des Experten. Gerade im Gesundheits- und Pflegebereich seien Cloud-Lösungen hochproblematisch. On-Premise-Systeme, lokale Datenverarbeitung und strenge Sicherheitskonzepte seien unverzichtbar – auch wenn sie Entwicklung und Markteinführung weiter verlangsamen.

Der viel beschworene Durchbruch ab 2026? König relativiert. Ja, spezialisierte Assistenzroboter könnten dann realistisch in Pflegeeinrichtungen auftauchen. Aber universelle humanoide Roboter, die flexibel arbeiten, improvisieren und Menschen ersetzen? Dafür veranschlagt er eher einen Zeithorizont von zehn Jahren oder mehr – wenn überhaupt.

Am Ende bleibt eine unbequeme Wahrheit: Der Roboter-Hype lebt vor allem von Marketing, Investorenfantasien und politischen Wunschbildern. Die Realität ist deutlich langsamer, teurer und komplizierter. Wer heute Angst vor der vollständigen Verdrängung menschlicher Arbeit hat, sollte weniger Science-Fiction schauen – und mehr Robotik-Forschung zuhören.

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