In der aktuellen „Klimaschau 237“ des Europäischen Instituts für Klima und Energie (EIKE) auf YouTube („Kippen des Golfstroms: Kälte durch Hitze? – Klimaschau 237“) wird die nächste große Klima-Angstkampagne auseinandergenommen: das drohende Kippen der nordatlantischen Umwälzströmung (AMOC), die oft verkürzt einfach als Golfstrom bezeichnet wird.
Seit Jahrzehnten warnen Ozeanografen wie Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der „thermohaline Antrieb“ der AMOC werde durch die Erwärmung der Arktis und zunehmendes Schmelzwasser abgeschwächt. Die Erzählung: Während der Rest der Welt „immer heißer“ wird, könnte Europa paradox kälter und trockener werden – bis hin zu Horror-Szenarien à la Hollywood, bekannt geworden durch den Katastrophenstreifen „The Day After Tomorrow“. Die Klimaschau fragt: Ist das Wissenschaft – oder nur das nächste „Waldsterben“ und „Peak Oil“ in grün?
Tatsächlich hat sich das arktische Meereis in den Sommermonaten in den letzten 15 Jahren oft weit zurückgezogen. Was in der Berichterstattung aber gern unterschlagen wird: Im Winter kam das Eis teilweise mit Rekordwerten zurück. Wer nur den Sommer anschaut und den Winter ausblendet, bekommt natürlich ein schönes Untergangsbild – aber keine ehrliche Gesamtbetrachtung. Genau hier setzt die Kritik an: Die angebliche, bereits messbare Abschwächung des Golfstroms entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als äußerst wackelige Konstruktion.
In einer oft zitierten Proxidatenstudie in „Nature Geoscience“ von 2021 behaupten Levke Caesar, Stefan Rahmstorf und Kollegen, die AMOC sei in den letzten Jahrzehnten so schwach wie seit über 1000 Jahren nicht mehr. Das klingt spektakulär – und wird von Medien gern als „historischer Tiefpunkt“ verkauft. Ein Jahr später erschien im selben Fachjournal allerdings eine Erwiderung von Kilbourne und Kollegen, die nüchtern feststellt: Die von Caesar und Rahmstorf verwendeten Datensätze sind selektiv, andere verfügbare Daten werden schlicht ignoriert. Auf gut Deutsch: Rosinenpicken, um die gewünschte Botschaft zu erzeugen.
Genau diese Korrekturen verschwinden im medialen Niemandsland. NTV etwa schreibt zum Extremwetterkongress in Hamburg dramatisch über grönländisches Schmelzwasser, veränderte Salzgehalte und einen angeblich historisch geschwächten Golfstrom – inklusive Rahmstorf-Zitat, wonach die AMOC schon jetzt schwächer sei als jemals in den letzten 1000 Jahren und in 50 bis 100 Jahren ganz versiegen könne. Die wissenschaftliche Kritik im selben Journal? Kein Wort. Hauptsache, die Schlagzeile passt.
Die Klimaschau verweist außerdem auf Messdaten, die in der Alarmstory kaum vorkommen: Die direkten Beobachtungen des RAPID-Projekts zur AMOC-Strömungsstärke im Atlantik zeigen zwischen 2004 und 2024 eine Oszillation um einen Mittelwert – mit einem deutlichen Ausreißer um 2010, aber ohne Trend Richtung Kollaps. Von einem „Sterben des Golfstroms“ kann in den tatsächlichen Daten keine Rede sein. Das Bild: natürliche Schwankungen statt Weltuntergang.
Hinzu kommt eine neuere Studie von England et al. (2025) in „Geophysical Research Letters“, die die Schmelzwasser-Panik aus der Arktis relativiert. Demnach hat sich der Rückgang der arktischen Meereisausdehnung in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verlangsamt. Seit 2005 zeigt sich im September – dem Monat mit der minimalen Eisfläche – kein statistisch signifikanter weiterer Rückgang. Diese „Pause“ ist über alle Datensätze und Jahreszeiten hinweg robust. Mit anderen Worten: Die Daten passen nicht zur Erzählung vom ungebremsten Eis-Kollaps, der angeblich den Golfstrom in den Abgrund reißt.
Die Klimaschau ordnet diese Muster in ein bekanntes Schema ein: das Prinzip des „Hockeyschlägers“, das Michael E. Mann schon 1999 mit seiner berühmten Kurve populär machte. Damals verschwanden plötzlich die mittelalterliche Warmzeit und andere natürliche Schwankungen aus der Temperaturgeschichte – nicht, weil sie nie existiert hätten, sondern weil man Baumring-Daten aus einer durchgehend kalten Region ausgewählt hatte, die genau das gewünschte Bild ergaben. Die Daten waren nicht frei erfunden, aber bewusst nicht repräsentativ: Rosinenpicken, diesmal global.
Genau diese Methode wird laut Klimaschau nun beim Thema AMOC und Golfstrom wieder angewendet: Man konzentriert sich auf Modellläufe und Datenauswahlen, die das apokalyptische Narrativ stützen, und blendet widersprechende Messreihen und kritische Fachveröffentlichungen aus. Ingenieur und Blogger Frank Bosse wird mit deutlichen Worten zitiert: Nur wenige Modelle seien überhaupt geeignet, die Mehrheit beschreibe eine Welt, die mit der realen nur wenig zu tun habe. Dazu kämen „grobe handwerkliche Fehler“. Eine seriöse Aussage über ein reales Kippen der AMOC auf der Erde zu treffen, gleiche eher einem Stück aus dem Tollhaus als sauberer Wissenschaft.
Unterm Strich zeichnet die Klimaschau ein Bild, das so gar nicht zur Daueralarm-Beschallung von PIK, NTV & Co. passt: Die AMOC zeigt in den Messdaten keine akute Kollaps-Tendenz, das arktische Eis ist komplexer als das ewige Schmelz-Narrativ, und die angeblich „historisch einmalige“ Schwäche des Golfstroms beruht zu großen Teilen auf selektiver Datenauswahl und Modellspielereien. Während Hollywood längst abgedreht hat, läuft der Katastrophenfilm in Politik und Medien offenbar weiter – mit immer denselben Hauptdarstellern und immer neuen „letzten Warnungen“.



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