Am 17. Dezember ist der dritte Teil von Avatar angelaufen. In den USA blieb das Interesse leicht hinter den Erwartungen zurück, in Deutschland brach der Start alle Rekorde und kaum war der Abspann vorbei, folgte bereits das nächste mediale Drama. Zahlreiche Kinobesucher berichten seitdem von einem angeblichen Post Avatar Depression Syndrome (PADS). Gemeint ist ein Gefühl von Leere, Niedergeschlagenheit und Sinnverlust, weil das reale Leben angeblich nicht so farbenfroh, harmonisch und aufregend sei wie die digitale Fantasiewelt auf der Leinwand.
Was früher schlicht als Realitätsflucht gegolten hätte, wird heute pathologisiert und emotional aufgeladen. Erwachsene Menschen klagen öffentlich darüber, dass sie nach drei Stunden CGI-Spektakel feststellen mussten, dass sie weder blau sind noch auf fliegenden Kreaturen durch einen außerirdischen Dschungel gleiten können – und erklären diesen Frust kurzerhand zur Depression.
Die Ursache liegt offen zutage: Eine Gesellschaft, die sich selbst nicht mehr erträgt. Statt reale Herausforderungen anzunehmen, Verantwortung zu übernehmen oder Sinn im eigenen Leben zu suchen, flüchtet man sich lieber in perfekt animierte Ersatzwelten. Wenn der Kinosaal zur Wunschrealität wird, ist der Absturz beim Hinausgehen programmiert.
Besonders grotesk ist die Reaktion der Medien. Anstatt das Phänomen nüchtern einzuordnen, wird es mit Expertenrunden, psychologischen Deutungen und Betroffenheitsrhetorik aufgeblasen. Der Eindruck entsteht, als müsse man das Publikum inzwischen vor den Nebenwirkungen eines Kinofilms schützen.
Das Post Avatar Depression Syndrome wirkt dabei weniger wie ein ernstzunehmendes Krankheitsbild, sondern vielmehr wie ein Symptom unserer spätdekadenten Wohlstandsgesellschaft. Alles wird überhöht, dramatisiert und therapeutisiert – selbst Unterhaltung.
Am Ende stellt sich jedoch eine unbequeme Frage: Ist der plötzliche Hype um PADS wirklich ein gesellschaftliches Phänomen – oder handelt es sich womöglich um eine geschickt platzierte PR-Erzählung, die den Mythos rund um Avatar weiter befeuern soll? Aufmerksamkeit erzeugt Aufmerksamkeit – und kaum etwas verkauft sich besser als ein Film, der angeblich Gefühle auslöst, die man nicht mehr loswird.
Totale Dekadenz – oder cleveres Marketing?



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