Mit einem neuen Gesetzentwurf will das Bundesjustizministerium höhere Mindeststrafen für Übergriffe auf Polizei, Rettungskräfte, Feuerwehr, Gerichtsvollzieher und künftig auch medizinisches Personal durchsetzen. Gleichzeitig soll bei Verurteilungen wegen sogenannter Volksverhetzung sogar der Entzug des passiven Wahlrechts möglich werden. Verkauft wird das als Schutz des Gemeinwesens – tatsächlich ist es ein weiterer Schritt in Richtung Obrigkeitsstaat und Klassenjustiz.
Der Staat verabschiedet sich damit offen vom Gleichheitsgrundsatz. Das Strafrecht soll künftig nicht mehr für alle gleich gelten, sondern nach Berufsgruppen gestaffelt werden. Wer einen „besonders schützenswerten“ Staatsdiener angreift, dem drohen automatisch härtere Strafen und Mindesthaft. Wer als normaler Bürger Opfer von Gewalt, Bedrohung oder Raub wird, erlebt dagegen tagtäglich eine Justiz, die Verfahren einstellt, Täter laufen lässt und Verantwortung verweigert. Gewalt bleibt Gewalt – doch der Staat misst sie künftig nach dem Status des Opfers.
Diese Sonderbehandlung ist kein Zeichen von Stärke, sondern ein Eingeständnis des Versagens. Ein funktionierender Rechtsstaat schützt alle Bürger gleichermaßen. Ein Staat, der einzelne Gruppen mit Sonderstrafrechten ausstattet, gibt zu, dass er Sicherheit nicht mehr flächendeckend gewährleisten kann oder will. Während Bürger sich in Bahnhöfen, Innenstädten und Parks zunehmend selbst überlassen sind, zieht sich der Staat auf den Selbstschutz zurück.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig spricht von „Verrohung“ und davon, dass der Rechtsstaat entschlossen reagieren müsse. Doch diese Entschlossenheit endet dort, wo sie unbequem wird. Statt Ursachen von Gewalt, Parallelgesellschaften und Kontrollverlust anzugehen, wird symbolisch am Strafrecht geschraubt – zugunsten der Staatsmacht, nicht zugunsten der Bevölkerung.
Besonders alarmierend ist die geplante Verschärfung bei Volksverhetzung. Künftig sollen höhere Strafen möglich sein, verbunden mit der Option, Verurteilten das passive Wahlrecht zu entziehen. Wer entscheidet, was als Volksverhetzung gilt? Schon heute ist der Paragraph politisch aufgeladen und dehnbar. Wenn auf dieser Grundlage Bürger von demokratischen Wahlen ausgeschlossen werden können, ist das kein Schutz der Demokratie mehr, sondern ein Instrument zur Ausschaltung missliebiger Meinungen.
Der Entzug politischer Rechte war historisch stets ein Mittel autoritärer Systeme. Wer Andersdenkende kriminalisiert und ihnen die politische Teilhabe entzieht, ersetzt Debatte durch Macht. Die Grenze zwischen Rechtsstaat und Gesinnungsjustiz wird damit bewusst verwischt.
Was hier entsteht, ist ein Staat, der sich selbst priorisiert und den Bürger zum Risiko erklärt. Sicherheit wird zur Frage des Berufs, politische Rechte zur Frage der Haltung. Das ist keine wehrhafte Demokratie – das ist der schleichende Umbau zu einem System, das Kontrolle über Freiheit stellt.


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